Prof. Dr. Holk Cruse, Fakultät für Biologie, Lehrstuhl für Biologische Kybernetik, Universität Bielefeld
Schon einfachste Aktionen wie zum Beispiel das Laufen erweisen sich als hochkomplexe Vorgänge, wenn man sie nachbilden will. Welche Problemlösungen hat die Natur anzubieten, die dann auf technische Fragestellungen übertragen werden können?
Nach traditioneller Vorstellung kommt intelligentes Verhalten dadurch zu Stande, dass ein dem Körper übergeordneter Geist nachdenkt, Pläne schmiedet und Entscheidungen trifft. Das Ergebnis dieses Nachdenkens wird dann an untere Ebenen weitergegeben und dort schließlich in Verhalten, d.h. letztlich in Bewegungen der Körpersegmente umgesetzt. Dieser Vorstellung liegt also das Konzept einer hierarchischen Struktur Zu Grunde. In neuerer Zeit wird aber immer mehr die These vertreten, dass Gehirne aus einer größeren Anzahl einzelner, weitgehend unabhängiger Module bestehen, die jeweils ihre spezifischen Ziele zu verfolgen suchen und in einem Wettbewerb um den Zugriff auf die Motorik stehen. Dies entspricht also eher der Vorstellung einer dezentralen Architektur.
Gehirnstrukturen lassen sich aus verschiedenen Gründen bei niederen Tieren wie zum Beispiel an Insekten und Krebsen wesentlich einfacher erforschen als bei Menschen. Solche Untersuchungen zeigen in der Tat, dass auch recht komplex erscheinende Aufgaben durch Verwendung einfacher Module gelöst werden können. Insbesondere hat sich dabei ergeben, dass diese Module nicht mit Hilfe eines abstrakten Planes arbeiten, dass also die Denk- und Entscheidungsprozesse nicht in einem unphysikalischen, "geistigen" Raum ablaufen, sondern dass der physikalisch vorhandene Körper als Basis für die "Denkprozesse" verwendet wird. Dies wird durch Verhaltensstudien belegt, die durch Computersimulationen und Tests auf Robotern ergänzt werden.
Neben diesen "reaktiven" Strukturen nimmt man - zumindest für höhere Tiere - auch die Existenz kognitiver Strukturen an. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass sie Weltmodelle verwenden, die für Handlungsplanung eingesetzt werden. Aber auch hier ist zu vermuten, dass die Basis dieser Weltmodelle durch ein Modell des eigenen Körpers gebildet wird, dass also auch hier Intelligenz nicht ohne den Körper zu denken ist. Möglicherweise hat sich deshalb höhere Intelligenz immer dann entwickelt, wenn die Bewegungen eines mechanisch komplexen Körpers zu kontrollieren waren.