Die Macht der Schönheit

Die Macht der Schönheit ist so unbestreitbar wie skandalös: Hübsche Kinder bekommen bessere Schulnoten, begünstigte Jugendliche haben ein reicheres Sexualleben, attraktive Menschen erhalten leichter Jobs, ja, schöne Menschen gelten nicht nur als zufriedener, sympathischer und erfolgreicher, sondern sogar als intelligenter, vertrauenswürdiger und kreativer. Diese empirisch vielfach belegten Befunde müssen einer christlich orientierten und demokratischen Gesellschaft missfallen, die auf innere Werte und auf Chancengleichheit setzt. Ihre Abneigung und ihr Misstrauen gegen deren »Oberflächlichkeit« wächst noch in dem Maße, in dem Schönheit kein Naturschicksal mehr, sondern - kosmetisch, chirurgisch, gentechnisch - zunehmend machbar ist.

Dennoch: Heute erfahren wir eine fulminante Wiederkehr des Schönen - buchstäblich auf allen Kanälen. Schönheit und das Schöne sind Insignien einer neuen, ästhetischen Lebenskultur. Deren Ikonen, die langbeinigen Supermodels und verträumten Rockstars, bringen diese Macht der Schönheit auf globales Niveau - keines ihrer weltweit zirkulierenden Bilder, das nicht digital noch schöner »gemorpht« wäre. Kosmetische Chirurgie ist längst fernsehtauglich geworden, und keiner schämt sich mehr der »Korrekturen«, denen er seinen Körper unterworfen hat.

Was die einen als »Schönheitswahn« mit verheerenden geistigen, sozialen und politischen Folgen diskriminieren, drückt für andere ein neues, jugendliches Lebensgefühl aus.

Die Vortragsreihe nähert sich der Frage nach der Schönheit, ihrer Macht und ihrem Glücksversprechen aus unterschiedlichen Perspektiven und Fragestellungen. Kultur- und sozialwissenschaftliche, psychologische, evolutionsbiologische, philosophische, politische, kunst- und mediengeschichtliche sind einige davon.

Die Proportionen der Schönheit

Datum: Dienstag 25.04.2006 Beginn: 19:00

Prof. Dr. Eckhard Keßler, München Dass Proportionalität und Schönheit untrennbar zusammengehören, wird seit der Erfindung der Ästhetik und der Schönen Künste im 18. Jahrhundert ebenso allgemein bezweifelt wie es zuvor allgemein angenommen wurde. Dieser Wandel im Verständnis des Schönen hat diesem offenbar im Bereich subjektiver Emotionalität keinen geringen Zuwachs an Autonomie und unmittelbarer Legitimität eingebracht, er hat dem Schönen aber gleichzeitig auch das ontologische Fundament, die kosmologische Funktion und die moralisch-praktische Verbindlichkeit geraubt, dank deren es zum Ausweis und Garanten der Einheit der Realität getaugt hatte.
Professor Keßler lehrte von 1980 bis 2003 Philosophie und Geistesgeschichte der Renaissance an der Ludwig- Maximilians-Universität in München.

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