Die Macht der Schönheit

Die Macht der Schönheit ist so unbestreitbar wie skandalös: Hübsche Kinder bekommen bessere Schulnoten, begünstigte Jugendliche haben ein reicheres Sexualleben, attraktive Menschen erhalten leichter Jobs, ja, schöne Menschen gelten nicht nur als zufriedener, sympathischer und erfolgreicher, sondern sogar als intelligenter, vertrauenswürdiger und kreativer. Diese empirisch vielfach belegten Befunde müssen einer christlich orientierten und demokratischen Gesellschaft missfallen, die auf innere Werte und auf Chancengleichheit setzt. Ihre Abneigung und ihr Misstrauen gegen deren »Oberflächlichkeit« wächst noch in dem Maße, in dem Schönheit kein Naturschicksal mehr, sondern - kosmetisch, chirurgisch, gentechnisch - zunehmend machbar ist.

Dennoch: Heute erfahren wir eine fulminante Wiederkehr des Schönen - buchstäblich auf allen Kanälen. Schönheit und das Schöne sind Insignien einer neuen, ästhetischen Lebenskultur. Deren Ikonen, die langbeinigen Supermodels und verträumten Rockstars, bringen diese Macht der Schönheit auf globales Niveau - keines ihrer weltweit zirkulierenden Bilder, das nicht digital noch schöner »gemorpht« wäre. Kosmetische Chirurgie ist längst fernsehtauglich geworden, und keiner schämt sich mehr der »Korrekturen«, denen er seinen Körper unterworfen hat.

Was die einen als »Schönheitswahn« mit verheerenden geistigen, sozialen und politischen Folgen diskriminieren, drückt für andere ein neues, jugendliches Lebensgefühl aus.

Die Vortragsreihe nähert sich der Frage nach der Schönheit, ihrer Macht und ihrem Glücksversprechen aus unterschiedlichen Perspektiven und Fragestellungen. Kultur- und sozialwissenschaftliche, psychologische, evolutionsbiologische, philosophische, politische, kunst- und mediengeschichtliche sind einige davon.

Inschriften des Leibes: Tattoos, Piercings, Brandings

Datum: Donnerstag 23.02.2006  Beginn: 19:00

Prof. Dr. Käte Meyer-Drawe, Institut für Pädagogik, Ruhr-Universität Bochum Schminken unterstreicht die eigenen Vorzüge oder übertüncht die Nachteile. Schönheitsoperationen korrigieren den Körper. Sie opfern das Individuelle einer Norm der gestrafften Fassade. Körpermodifikationen wie Tätowierungen, Piercings oder Brandings, denen sich der Vortrag hauptsächlich widmet, verwunden den Leib, um ihm eine einzigartige Bedeutung zu geben. Ihr Status ist ambivalent. Sie stehen für das Ornament wie für das Stigma. Sie dienen der Auszeichnung, aber auch der Kennzeichnung. Ihr Übermaß verleitet zur Kriminalisierung und Pathologisierung. Sie verkörpern den eigenen Wunsch nach sozialer Distinktion, aber auch ein Instrument zur Identifikation durch den Anderen und damit das Schicksal eines leiblichen Wesens, nicht zwischen Freiheit und Gewalt wählen zu können.

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