Die Macht der Schönheit ist so unbestreitbar wie skandalös: Hübsche Kinder bekommen bessere Schulnoten, begünstigte Jugendliche haben ein reicheres Sexualleben, attraktive Menschen erhalten leichter Jobs, ja, schöne Menschen gelten nicht nur als zufriedener, sympathischer und erfolgreicher, sondern sogar als intelligenter, vertrauenswürdiger und kreativer. Diese empirisch vielfach belegten Befunde müssen einer christlich orientierten und demokratischen Gesellschaft missfallen, die auf innere Werte und auf Chancengleichheit setzt. Ihre Abneigung und ihr Misstrauen gegen deren »Oberflächlichkeit« wächst noch in dem Maße, in dem Schönheit kein Naturschicksal mehr, sondern - kosmetisch, chirurgisch, gentechnisch - zunehmend machbar ist.
Dennoch: Heute erfahren wir eine fulminante Wiederkehr des Schönen - buchstäblich auf allen Kanälen. Schönheit und das Schöne sind Insignien einer neuen, ästhetischen Lebenskultur. Deren Ikonen, die langbeinigen Supermodels und verträumten Rockstars, bringen diese Macht der Schönheit auf globales Niveau - keines ihrer weltweit zirkulierenden Bilder, das nicht digital noch schöner »gemorpht« wäre. Kosmetische Chirurgie ist längst fernsehtauglich geworden, und keiner schämt sich mehr der »Korrekturen«, denen er seinen Körper unterworfen hat.
Was die einen als »Schönheitswahn« mit verheerenden geistigen, sozialen und politischen Folgen diskriminieren, drückt für andere ein neues, jugendliches Lebensgefühl aus.
Die Vortragsreihe nähert sich der Frage nach der Schönheit, ihrer Macht und ihrem Glücksversprechen aus unterschiedlichen Perspektiven und Fragestellungen. Kultur- und sozialwissenschaftliche, psychologische, evolutionsbiologische, philosophische, politische, kunst- und mediengeschichtliche sind einige davon.
Altgriechische Schönheitsideale - von Adonis bis Sokrates
Datum: Dienstag 10.01.2006
Beginn: 19:00
Prof. Dr. Thomas Macho, Kulturwissenschaftliches Seminar, Humboldt-Universität, Berlin
Das altgriechische Schönheitsideal wurde in der europäischen Kulturgeschichte enthusiastisch gefeiert. Diese Begeisterung stützte sich jedoch häufiger auf den Kanon der Statuen und Bilder als auf die Textquellen. Bei genauerer Betrachtung fallen daher Widersprüche auf, die womöglich noch in der Antike wirkungsgeschichtlich mächtig wurden: etwa die Deutung der Schönheit als Idee, die vorrangig nicht in der sinnlichen Erscheinung zum Ausdruck kommt, sondern in Haltungen und Gesinnungen. Der Vortrag will also danach fragen, ob und inwiefern die altgriechischen Schönheitsideale selbst einer rezeptionsgeschichtlichen Idealisierung entsprungen sind.
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