19.12.2005

Vor zehn Jahren starb Konrad Zuse - Erfinder des Computers

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Vor zehn Jahren starb Konrad Zuse - Erfinder des Computers
von Norbert Ryska, HNF-Geschäftsführer Bill Gates und seinen Microsoft-Konzern kennt heute fast jedes Kind. Doch das Zeitalter des Computers wurde lange Zeit vor ihm von einem anderen eingeläutet. Am 18. Dezember vor zehn Jahren starb im hessischen Hünfeld Konrad Zuse, einer der Väter des Computers. Im Alter von 24 Jahren begann Zuse in den frühen 1930er Jahren mit Entwürfen für eine programmgesteuerte Rechenmaschine. Ziel war die Automatisierung der - nach seinen Worten - "Geist tötenden" Routinerechnungen, denen er als Statiker damals ständig ausgesetzt war. Dabei hatte er von Anfang an die Idee, eine universelle Rechenmaschine zu bauen. Innovativ waren vor allem die erstmalige Verwendung des seit Leibniz bekannten Dualsystems und der Aussagenlogik für den Rechnerentwurf. 1941 vollendete der junge Bauingenieur - als Einzelkämpfer und Autodidakt - in Berlin die erste voll funktionsfähige programmgesteuerte Rechenanlage der Welt. Gegenüber dem wohnzimmergroßen Prototypen Z1 aus dem Jahre 1938 war Zuses Z3-Rechner schon vergleichsweise klein. Die durch Bomben zerstörte Maschine konnte von Zuse nach dem Krieg aus dem Gedächtnis rekonstruiert werden und steht heute im Deutschen Museum in München. Ende der 1980er Jahre baute Konrad Zuse aus der Erinnerung auch noch die legendäre Z1 nach. Dieses "mechanische Ungetüm", das heute im Deutschen Technikmuseum Berlin zu bewundern ist, finanzierte auch Heinz Nixdorf mit. Das Heinz Nixdorf MuseumsForum hat Konrad Zuse in seiner Galerie der Pioniere ein eigenes Kabinett gewidmet. Dort wird nicht nur sein Lebensweg multimedial dokumentiert, sondern es sind auch Nachbauten von Rechen- und Speicherwerken der Z1 zu sehen, deren Konstruktion Zuse noch persönlich für das HNF betreut hat. Die ausgestellte Büste von Konrad Zuse steht seit dem Sommer 2005 auch in Kopie am Spreeufer in Berlin-Moabit. In der Dauerausstellung des HNF werden weitere Zuse-Rechner, die Z11 und Komponenten der Z23, gezeigt. Konrad Zuse war zu Lebzeiten immer wieder in Paderborn und bei Heinz Nixdorf zu Gast. Das Verhältnis der beiden bedeutendsten deutschen Computerpioniere war von gegenseitigem Respekt und Wohlwollen geprägt. Beide galten als unorthodoxe Denker und nicht ganz einfache Zeitgenossen. Beide hatten ihre Unternehmen in der "Provinz" aufgebaut. Beide hatten immer eine große Neigung zur Mechanik, fast mehr als zur Elektronik. Und beide, der eine früh, der andere posthum, wurden von Siemens übernommen. Zuse und Nixdorf waren am Markt keine Konkurrenten. Während Zuse in der Nachkriegszeit als Erfinder und Entwickler von Computern für den technisch-wissenschaftlichen Bereich bedeutend und zeitweise auch wirtschaftlich erfolgreich war, konzentrierte sich der 15 Jahre jüngere Heinz Nixdorf von Anfang an ausschließlich auf den kommerziellen Sektor und war als Unternehmer schnell erheblich erfolgreicher als Zuse. Das einzige Kooperationsvorhaben zwischen beiden Unternehmen, die Übernahme von Zuse-Software auf Nixdorf-Rechner, scheiterte, weil Nixdorf von Zuse dafür die Abnahme von Nixdorf-Computern in einer Stückzahl verlangte, die bei der Zuse KG einer Jahresproduktion entsprochen hätte. Fast alle deutsche Hochschulen verwendeten Ende der 1950er Jahre Zuse-Computer, vor allem den Relaisrechner Z22 und den Transistorrechner Z23. Sie wurden bei der Ausbildung in praktischer Mathematik und Programmierung sowie bei der Lösung wissenschaftlicher Probleme eingesetzt. Die neuartigen alphanumerisch arbeitenden Computer von Nixdorf waren auf eine integrierte Datenverarbeitung an individuellen, kommerziellen Arbeitsplätzen in Handel und Banken ausgelegt und traten ab 1961 ihren Siegeszug an. In Paderborn leben noch heute Computerentwickler wie Lorenz Hanewinkel, Werner Köpping, Hans-Herrman Susott oder Peter Bendrich, die in der Frühzeit der deutschen Computerentwicklung sowohl für Konrad Zuse als auch später für Heinz Nixdorf tätig waren. Mitte der 1980er Jahre lud Heinz Nixdorf Konrad Zuse ein, in der damaligen Hauptverwaltung der Nixdorf Computer AG, dem heutigen HNF, seine Bilder auszustellen. Zuse war nicht nur Computertechniker, sondern auch leidenschaftlicher Maler. Er hielt in der Fürstenallee vor Industrievertretern Vorträge über "Bauformen in Natur und Technik". Im Jahre 1985 - ein Jahr vor seinem Tod - wurde Heinz Nixdorf mit der Konrad-Zuse-Medaille ausgezeichnet. Verschiedene Mitarbeiter des im Aufbau befindlichen HNF befanden sich in den letzten Lebensjahren Zuses regelmäßig mit dem Pionier in fachlichem Austausch. Es entstanden neben Teilnachbauten seiner Rechenmaschinen Videointerviews mit dem Technikpionier. Bei seinem letzten Aufenthalt in Paderborn im November 1992 plauderte Konrad Zuse vor mehreren Hundert Auszubildenden von Siemens-Nixdorf angeregt über sein Lebenswerk. Zwar konnte das HNF wegen des überraschenden Todes von Konrad Zuse Ende 1995 die Nachlassverhandlungen nicht zu einem erfolgreichen Ende führen, dafür besitzt das Archiv des HNF aber als einzige Einrichtung in Deutschland Kopien von zahlreichen Originalpapieren von Konrad Zuse. Der Nachlass selbst wird weiterhin von seiner Familie in Hünfeld verwahrt und ist nicht zugänglich. Vor einigen Jahren besuchte auch Zuses Enkelin, Kristin Gruden aus Rietberg, das HNF und erklärte der verdutzten Museumsführerin: Mein Opa hat den Computer erfunden!

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