02.02.2008

Rundgang durch "Zahlen, bitte! Die wunderbare Welt von null bis unendlich"

31.01.2008

 

Bevor der Rundgang beginnt, werden die Besucher mit einem akustischen Countdown auf der Rolltreppe zur Ausstellung begleitet. Dort erwartet sie die Collage aus Videobildern „Zahlen in Bewegung“, die von einem Forscherteam aus Graz speziell für die Ausstellung mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgenommen wurde.

 

Im folgenden Zahlenzirkus kommen nicht nur Kinder auf ihre Kosten. Historisches Spielzeug führt vor Augen wie früher Rechnen geübt wurde. Graf Zahl zeigt, wie es heute geht. Wie man durch das Fallenlassen von Stäbchen bestimmter Länge Pi berechnet oder welche Bedeutung Zahlen in der Musik haben, erfahren die Besucher in diesem Bereich spielerisch. Wer will, kann sich selber messen oder Zahlen malen. Exklusiv für die Ausstellung hat die Karlsruher Künstlerin Patricia Waller eine Schafzählmaschine entwickelt und eine Zahlen-Ananas gehäkelt, die auf die spezifische Verteilung der Schuppen nach der Fibonacci-Folge verweist.

 

In welchem Kulturkreis gab es die ersten Zahlen? Welche Zahlsysteme gibt es überhaupt? Dies sind nur zwei Fragen, die in dem Bereich Kulturgeschichte der Zahl beantwortet werden. Es können die Entwicklungen der Kulturen nachverfolgt werden, die am meisten zur Entwicklung der Welt der Zahlen beigetragen haben.

 

Jeder kennt den Satz des Pythagoras. Auch von Archimedes und Gauß haben die meisten schon einmal gehört. Doch was war die besondere Leistung von Leonhard Euler? Wer verbirgt sich hinter dem Genie Srinivasa Ramanujan? Die Besucher begegnen in der Galerie der Zahlenmeister zehn Mathematikern und ihren wegweisenden Arbeiten aus der Welt der Zahlen.

 

In kaum einem anderen Bereich spielen Zahlen eine so bedeutende Rolle wie bei der Vermessung der Welt. Die Ausstellung zeigt Instrumente und Werkzeuge der Landvermessung wie Sextanten und Atlanten. Besonders augenfällig wird die Bedeutung von Zahlen bei See- und Wetterkarten. Die Besucher können sich mit Hilfe eines interaktiven Zahlenfernrohrs als Landvermesser betätigen und Entfernungen in der Ausstellung entlang eines Zahlenstrahls messen. Ein Globus verdeutlicht die Entwicklung und Bedeutung des Koordinatensystems.

 

Auch in der Natur spielen Zahlen eine bedeutende Rolle. Offensichtlich wird dies bei einigen Kristallen, den einzigen natürlich vorkommenden platonischen Körpern. Das Aussehen der Blüten von Sonnenblumen, Tannenzapfen oder Blumenkohl wird von einer mathematischen Folge, der so genannten Fibonacci-Folge, bestimmt. Sie bildet die Grundlage des Goldenen Schnitts, der nicht nur antiken Gebäuden, sondern auch dem Gehäuse des Nautilus zugrunde liegt. Aber auch bei anderen Tieren haben Zahlen ihre Bedeutung wie nicht nur Bienenwaben und Facettenaugen von Insekten zeigen.

 

In dem Bereich Theorie der Zahl wird die Struktur des Zahlsystems vorgestellt. Es geht um die Entdeckung der Null, die rätselhaftesten Zahlen – die Primzahlen – und natürlich darf auch Pi nicht fehlen. Dabei erfahren die Besucher einige überraschende Tatsachen aus der Welt der Zahlen. Denn wer weiß schon, dass es erstaunlich viele Methoden gibt, um Pi zu bestimmen, dass die größte bekannte Primzahl vier Millionen Stellen hat und Insekten zu ihrem Schutz Primzahlen nutzen? Ein kurioses Exponat ist ein „mechanisches Zahlensieb“ aus Fahrradketten, mit dem man Gleichungen lösen kann. Erfunden hat es der US-amerikanische Zahlentheoretiker Derrick Lehmer 1926. Das Computer History Museum in Kalifornien hat dem HNF seinen Nachbau zur Verfügung gestellt.

 

Wohl kaum ein anderes Gebiet aus der Welt der Zahlen übt eine solche Faszination aus wie die Glückszahlen. Im Mittelpunkt des Ausstellungsbereichs steht ein Roulettekessel. Hier findet sich auch einer der ersten „Wearable Computer“, der 1955 von Edward Thorp und Claude Shannon entwickelt wurde, um die Rotation und den Kugellauf beim Roulette zu analysieren. Es ist eine bedeutende Würfelsammlung von Westlotto zu sehen, aber auch eine Auswahl historischer Würfelmaschinen. Das beliebteste Glücksspiel der Deutschen wird umfangreich gewürdigt. Historische Lottoziehungsgeräte stehen neben einer Maschine des Hessischen Rundfunks. Die Besucher erhalten Tipps für eine erfolgreichere Auswahl der Lottozahlen. Die Wahrscheinlichkeit für sechs Richtige (mit Superzahl) beträgt etwa 1:140.000.000 – ähnlich unwahrscheinlich ist es, einen Tresor mit Zahlenschloss zufällig zu öffnen, was die Besucher gleich selbst ausprobieren können. Dass „echte“ Zufallszahlen nur in der Natur vorkommen und zwar beim radioaktiven Zerfall, zeigt ein Gerät, das die natürliche Radioaktivität im Raum misst.

 

Zahlzeichen gehören zu den ältesten Spuren menschlicher Schrift. Schon in der Altsteinzeit finden wir sie als Kerben in Knochen. Das Naturwissenschaftliche Museum in Brüssel hat für das HNF eine detailgenaue Nachbildung des Ishango-Knochens, des vermutlich ältesten mathematischen Objekts der Welt, angefertigt. Das zehn Zentimeter große „Kerbholz“ ist vermutlich 20.000 Jahre alt. Viele Kulturen und Naturvölker kamen mit einem reduzierten Zahlensystem aus. So rechneten manche Völker der Südsee mit Werten von maximal zehn. Im Bereich Völkerkunde der Zahl wird gezeigt, wie die Eipo auf Neuguinea mit ihrem Körper Zahlen anzeigen. Aber auch das „händische Zählen“ im Mittelalter wird verdeutlicht. Eine interaktive Installation von Tobias Grewenig stellt den heutigen Menschen in Zahlen dar.

 

Wir sind umgeben von Zahlen: vom Verkehrsschild über die Uhr bis zum Telefon. Zahlen im Alltag ist daher ein Bereich überschrieben. Die Videoinstallation „Watch Berlin“ besteht aus einer typologischen Sammlung unterschiedlicher Zahldarstellungen des Berliner Alltags; Fotos und Videos bilden eine Digitaluhr, die ständig neu zusammengestellt wird. Wer nicht glaubt, dass es Radiosender gibt, auf denen nur Zahlen zu hören sind, kann sich selbst überzeugen. Eine „Zählerwand“ illustriert die Vielfalt von Mess- und Zählgeräten.

 

Tiere wie Delfine, Menschenaffen oder Kolkraben entwickeln ein Gefühl für Zahlenverhältnisse. Doch auch wenn Tiere nicht rechnen können, haben sie oft etwas mit Zahlen zu tun, wie die liebevollen Bilder der Berliner Illustratorin Nadia Budde zeigen. Und auch der Avatar Max aus der Dauerausstellung hat für die Sonderausstellung rechnen gelernt. So erläutert er Primzahlen und nennt den Besuchern ihre persönliche Lottozahl.

 

Im Ausgangsbereich der Ausstellung begegnen die Besucher einer „Unendlichkeitsmaschine“, einem beeindruckenden Beispiel mechanisch veranschaulichter Mathematik: Während sich das erste Zahnrad mit 200 Umdrehungen pro Minute dreht, hat sich innerhalb einer Umdrehung des letzten Zahnrades das Alter des Universums verhundertfacht. Das HNF hat diese Idee des US-amerikanischen Künstleringenieurs Arthur Ganson nachgebaut.

 

Zum Abschluss verblüfft die Besucher das „Hilbert-Hotel“, die Inszenierung eines Paradoxons über die Unendlichkeit.

 

 

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