15.10.2012

HNF erwirbt „Schreibklavier“

Nachbau einer frühen Schreibmaschine aus Italien Mit seinem 1855 patentierten "Schreibklavier" versuchte Giuseppe Ravizza ein Problem zu lösen, das noch Generationen nach ihm beschäftigen sollte: Statt mit nur einer Hand müsse der Mensch mit allen zehn Fingern schreiben können, hieß es in seinem Brief an das Preisgericht der Industrieausstellung von Novara, auf der er sein Gerät vorstellte. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Anwalt, der sich weniger den Gesetzestexten als der Erfindung seiner Schreibmaschine widmete, bereits knapp zwei Jahrzehnte mit der Lösung des Problems zugebracht. Immerhin ein Jahrzehnt dauerten die Bemühungen des Heinz Nixdorf MuseumsForums (HNF), eine Kopie von Ravizzas früher Schreibmaschine zu beschaffen, deren Original im Museo Nazionale della Scienza e della Tecnologia in Mailand ausgestellt ist. Seit letzter Woche hat der deutschlandweit einzige Nachbau aus der Werkstatt von Ludovico Tinelli in Piacenza nun seinen festen Platz in der Dauerausstellung des HNF. Originalgetreu sind die Buchstaben in nahezu alphabetischer Anordnung auf eine schwarze und eine weiße Tastenreihe verteilt, weshalb der Apparat den Namen "Cembalo Scrivano" - zu deutsch "Schreibklavier" - erhielt. Doch nicht die Tasten selbst machen Ravizzas Erfindung zur Besonderheit, sondern die Typenhebel, die den Tastenanschlag übertragen. Damit wurde ein Prinzip vorweg genommen, das erst am Übergang zum 20. Jahrhundert in den USA zum Durchbruch gelangen sollte und auch in der Beurteilung durch die Jury in Novara Erwähnung fand: "Jede Taste hat ein Hämmerchen, auf dem ein Buchstabe oder Zeichen angebracht ist (...) Die Hämmerchen sind um einen kreisrunden Ring angeordnet, schlagen aber alle nach dem gleichen Mittelpunkt zu." Aufgrund dieser technischen Neuerung gilt Ravizzas Erfindung heute in Fachkreisen als Meilenstein der Schreibmaschinengeschichte, der nur deshalb wenig Beachtung fand, weil er nie zur industriellen Massenfertigung gelangte. Dabei teilt der Italiener das Schicksal anderer genialer Erfinder, die viel Sinn für gute Ideen aber weniger Talent für deren Vermarktung haben. Zu ihnen zählt etwa auch der Tiroler Zimmermann Peter Mitterhofer, der nur wenige Jahre nach Ravizza ein rustikal anmutendes, hölzernes Schreibmaschinenmodell fertigte, dessen Nachbau ebenfalls im HNF ausgestellt ist. Passenderweise teilt sich das Schreibklavier künftig eine Vitrine mit dem Mitterhofer-Modell, sodass die Besucher der Dauerausstellung die beiden europäischen "Urahnen" der Schreibmaschine nebeneinander betrachten können. Das "Schreibklavier" ist zu den üblichen Öffnungszeiten des HNF zu sehen: dienstags bis freitags von 9 bis 18 Uhr und am Wochenende von 10 bis 18 Uhr.

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